Balkenplatz – Gymnasium Josef-Preis-Allee


Im Jahr 1998 wurde im Zuge des Um- und Zubaus des Bundesschulzentrums Salzburg Nonntal die künstlerische Gestaltung nach den Entwürfen von Meina Schellander (geb. 1946) auf der Dachterrasse über der großen Turnhalle realisiert.

Es bestand aus vier liegenden hohlen Balken aus verleimtem Brettschichtholz, die auf kurzen unterschiedlich hohen Stahlrohren auflagen. Mit ihrer stark leuchtend roten Farbe bot der Balkenplatz einen idealen Kontrast zu dem schlichten Erscheinungsbild des Flachdachs.

Die Künstlerin ermöglichte mit ihrem Konzept den Schülerinnen und Schülern einen Aufenthaltsort, der sowohl zum Ruhen und Rasten genützt werden konnte, als auch zu einem unbefangenen und spielerischen Umgang miteinander einlud. Man konnte auf den Balken liegen und sitzen, aber ebenso auf ihnen entlanggehen, unten durchkriechen oder drüber springen. Da es sich bei den Vierkantblöcken um Hohlkörper handelte, konnte man sie zu Lautverstärkung nutzen, sodass sie die Künstlerin selbst auch „Balkofone“ nannte.
Zeitgleich wurde ein zweites Projekt Schellanders für die Schule mit dem Titel DENKEN – GEHEN – LACHEN umgesetzt. An der Begrenzungs- bzw. Schallschutzmauer zur Hellbrunnerstraße befinden sich drei digitale Anzeigen, auf denen verschiedene Zeitwortgruppen abgespielt werden. Das partizipative Konzept sieht vor, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Texte programmieren und die Laufschriftanzeigen als ihr Sprachrohr nach außen funktionieren.

Wie der Balkenplatz formal in das Œuvre Schellanders einzufügen ist, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Die Auseinandersetzung mit ausgehöhlten Formen findet kontinuierlich in ihrer Kunst statt und hatte in den 1970er Jahren einen Höhepunkt in der Gegenüberstellung von ausgehöhlten Objekten mit Negativformen respektive den entfernten Massen. Der Wunsch, etwas darzustellen und zu ergründen, das eigentlich nicht darstellbar ist – nämlich der Kern – wird sichtbar. Schellander hatte konsequent an diesem ihrem frühen Ansatz, der sich in ihren anfänglichen Köpfen und Findlingen zeigt, festgehalten. Aber ihre Lösungen zeigt sie in den späten 1990er Jahren auf andere Weise als zuvor. Es werden keine Versatzstücke aus der Natur eingebracht, sondern eine technisch perfekt ausgearbeitete Kunst gezeigt. Sie ist verstärkt spielerisch und leicht, von den Ideen her scheinbar einfacher und trotzdem zahlreiche Assoziationen auslösend. Zusätzlich wird vermehrt Schrift eingesetzt.
Diesem Streben entsprachen ihre Ideen für das Schulgebäude in Salzburg. Den Balken ist ihre innere Masse genommen. Der fehlende Kern kann durch Geräusche, Töne oder Worte kurzzeitig ersetzt werden. Paradox ist die optische Massivität der Balken, wenn man um ihr leeres Inneres weiß. Ein Spiel mit dem Sichtbaren und Unsichtbaren findet statt. Gewöhnlich kennt man solche Holzkonstruktionen als ein tragendes Element, das durch seine solide Beschaffenheit Stabilität bietet. Die Künstlerin ermöglicht es allerdings Geräusche oder Gesprochenes hindurch laufen zu lassen und intuitiv die Schwere zu durchbrechen.

Ein weiterer Bruch mit Sehgewohnheiten entsteht durch die Tatsache, dass die riesigen Balken wie scheinbar zufällig auf dem Dach ihren Platz gefunden haben oder fallen gelassen wurden. Sie überkreuzen sich teilweise und wurden unregelmäßig zueinander platziert.

Schellander entwarf eine Vielzahl an Objekten für den öffentlichen Raum, die in ihren gewaltigen Dimensionen zum Teil ganze Stadtplätze durchbrochen hatten und zum Bewusstsein der Zeit anregen sollten.
Diese „Maßstabexpansion“ in Schellanders Kunst dient zum Teil dazu den menschlichen Kern, sozusagen den Ursprung des Menschen, deutlich, fast schmerzhaft zu erfahren. Die Künstlerin ist der Ansicht, dass das schöpferische Prinzip aus allem Ursprünglichen komme und man es folglich dort suchen bzw. dorthin zurückkehren solle.
Zusätzlich sind die Größenverhältnisse ihrer Kunst häufig aus den jeweiligen Gegebenheiten der Aufstellungsorte abzuleiten. Sie möchte keine bloße Applikation oder Dekoration erschaffen. Diese Herangehensweise führt oft zu enormen Formaten, die Betrachterinnen und Betrachter stark irritieren. Als raumgreifende Installation (70 x 45 x 1900-2500 cm) war der Balkenplatz allerdings keineswegs eine verstörende Gestaltung, sondern die ideale Intervention für die gesamte Umgebung.

Durch die Komplexität der Inhalte von Schellanders Konzepten – deren vorausgehende gedankliche Entstehungsprozesse die Künstlerin in einer Vielzahl an Notizbüchern festhält – bleibt ihre Kunst oft unverstanden. Widerstand in vielerlei Hinsicht scheint das Motiv ihrer Arbeit zu sein, woraus sich auch die nicht leicht zugänglichen Bildinhalte erklären lassen. Erst wenn man sich mit ihren Haltungen zu historischen Figuren, Philosophien oder dem Zeitgeschehen auseinandersetzt und dies im Gesamtschaffen der Künstlerin einordnet, erschließen sich ihre Arbeiten.

Trotz diesem Charakteristikum ihres Werkes konzipierte Schellander den Balkenplatz als ästhetisch und inhaltlich zugängliches Projekt. Es ist eine funktionierende Synthese aus großzügigem Format, formschöner Gestaltung eines Freiraums in Verbindung mit dem Bewusstsein für die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen. Das Dach wird zu einem „Kraftort“ für alle, ob durch meditative Ruhe oder durch dynamisches Spiel. Aber ebenso wird die Intention, dass Kunst Gemeinschaft hervorbringt und fördert, deutlich sichtbar. Durch die zunehmende Individualisierung und Vereinsamung innerhalb unserer Gesellschaft ist dies auch als eine Art Lernziel hinter den künstlerischen Ideen Schellanders für die Schule zu sehen. Jemand setzt eine Aktion, die Rezipierende benötigt und durch das gemeinsame Handeln sowie Wahrnehmen wächst das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, unabhängig eines eventuell anderen kulturellen Hintergrundes.

Den veränderten Witterungsbedingungen konnte der Balkenplatz nach 25 Jahren nicht mehr standhalten und musste aus Sicherheitsgründen abgebaut werden.