Wettbewerb MedUni Campus Mariannengasse Wien


Thomas Feuerstein und Toni Schmale konnte am 10. September 2021 den von der BIG geladenen künstlerischen Wettbewerb für den MedUni Campus Wien für sich entscheiden.

Die Jury begründete die Entscheidung für die Siegerprojekte wie folgt:

Metabolische Landschaft – Thomas Feuerstein:
„Der Entwurf folgt einem inhaltlich wie auch gestalterisch starken und vielschichtigen Konzept, das eine Schnittstelle von intellektuellem und assoziativem Denken herstellt. Er öffnet einen Kommunikationsraum, der Inhalte von Forschung thematisiert und gleichzeitig eine atmosphärische Aufenthaltsqualität schafft. Die grafische Qualität wird durch die inhaltliche komplettiert, Forschungsfragen werden mit künstlerischen zu einer lebendigen Symbiose verbunden, die mit sprachlicher Irritation und Ironie immer wieder aufs Neue zu überraschen vermag.“

Handgriffe – Toni Schmale:
Handgriffe ist eine berührende Arbeit, die auf sensible Art und Weise die Fürsorge als ein fundamentales Anliegen des Medizinberufs in den Mittelpunkt stellt und Lehrende wie Studierende gleichermaßen anspricht. Die Künstlerin nimmt Bezug auf das Fragmentarische klassischer Skulpturen und transformiert diese in die Gegenwart. Sie hat damit auch eine gelungene Entsprechung für das Aufeinandertreffen von alten und neuen Strukturen gefunden. Gleichzeitig vermittelt die Installation, dass die Geschichte des menschlichen Körpers und dessen Darstellung untrennbar mit der Geschichte der Medizin verbunden ist. Die Formen sind Abbildungen (3-D-Scans) von realen Körpern, die nicht dem Idealbild von Normschönheit entsprechen, sondern die Wirklichkeit abbilden. Die Platzierung im Raum erlaubt unterschiedliche Blickwinkel und verbindet diese mit Aspekten der Konstruktion, Dekonstruktion und Repräsentation des menschlichen Körpers.“

Siegerprojekt 1: Metabolische Landschaft


Der Entwurf verbindet Forschungsfragen der unterschiedlichen medizinischen Zentren des Campus real wie metaphorisch mit der Frage der Stoffwechselprozesse, die sich in den Körperzellen finden und gleichzeitig für künstlerische Entwicklung an sich stehen. Ausgeführt wird er als 30 Meter langes Panorama in der Mensa. Die grundlegende Grafik des Wandbildes verbindet eine reale kartographierte Landschaft mit der Karte der Stoffwechselwege im Inneren des menschlichen Körpers. Über dieses Panorama aus überlagerten Landschaften verteilen sich die vier Monitore in Form von Sprechblasen, die an WhatsApp-Nachrichten oder Comics erinnern. In kurzen Intervallen erscheinen darin assoziative Dialoge. Diese werden von einer Software generiert, die aktuelle Publikationen der am MedUni Campus forschenden Zentren automatisiert ausliest und in eine einfache Sprachstruktur überführt.

Siegerprojekt 2: Handgriffe


Die Arbeit besteht aus in Beton gegossenen Körperfragmenten, mit denen sich die Künstlerin auf die antike Skulpturengruppe der Ägineten bezieht. Durch die Anordnung der Fragmente schafft die Installation eine visuelle Analogie zwischen den historischen Skulpturen und der Darstellung von grundlegenden Praktiken aus der Ersten Hilfe. Die in 1,5-facher Vergrößerung gegossenen Körperteile bilden innerhalb eines der großen Betonrahmen im Foyer ein 3-D-Bild aus Körperfragmenten, das sich aus vier medizinischen Interaktionen zusammensetzt: dem Heimlich-Manöver, der Drehung in die stabile Seitenlage, der Herzdruckmassage und der tröstenden Hand. Durch die Überlagerungen der Komposition mit den dahinter sitzenden und sich bewegenden Menschen auf den Sitzstufen entstehen immer neue Bildgeschichten aus künstlerischem Eingriff und dem Alltag.

ohne Titel


Vorgeschlagen wird eine großformatige Bodenarbeit: das Motiv eines menschlichen Gehirns wird als zweifärbige Intarsienarbeit in Terrazzotechnik im Entree der MedUni platziert. Das logoartige Motiv (angelehnt an Logosignets amerikanischer Campusuniversitäten) wird in den geschliffenen Estrichboden eingelassen und so zu einem integralen Bestandteil des Hauses. Das Motiv hat universellen Charakter, sein Bezug ist im Kontext der medizinischen Universität evident. Terrazzo ist eine alte Technik, die hier durch digitale Fertigungstechniken völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten erfährt.

Wandbild


Der Entwurf bespielt die Wand in einem belebten Treppenhaus des Gebäudes. Grundidee ist es, der rationalistischen, rechtwinkeligen Architektur eine organische Form einzuschreiben – als eine Art „Treppenwesen“ greift diese die geteilte Kreatürlichkeit von Menschen- und Tierkörpern aus anderen Arbeiten Ulrike Müllers auf und spitzt sie ortsspezifisch zu. Die Figur lässt verschiedene Betrachtungsweisen und Interpretationen zu, sie ist auch eine historische Referenz an die Arbeiten im öffentlichen Raum im Wien des 20. Jahrhunderts (z.B. Fassadengestaltungen von Gemeindebauten). Wie manche von diesen kombiniert der Entwurf handelsübliche weiße Fliesen mit frei gestalteten Mosaikelementen, wobei sich das farbige Mosaik in Form eines zirkulierenden Systems über die Fliesen legt.

Late Night Group Therapy als bewegliches Zeitdokument


Dem Entwurf liegt Schudas Konzept „Late Night Group Therapy“ zugrunde – dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Format einer Show für Gesellschaft, Politik und Unbewusstes. Ausgehend davon entsteht eine Video-Arbeit „Late Night Group Therapy auf der Baustelle des MCM“, ein Zeitdokument zu einer aktuellen Fragestellung aus der modernen Medizin. In Folge wird die Fragestellung in einer verdeckten systemischen Aufstellung bearbeitet. Das in diesem Rahmen entstandene Video wird online abrufbar sein. Ausgehend von dem Video soll ein Mobile aus digitalen Collagen für das Foyer des Campus entwickelt werden. Am Boden darunter werden sowohl das Mobile als auch die Inhalte der Video-Arbeit mit Grafiken und Begriffen „gespiegelt“.

DIAGNOSE: NO BIAS!?


Der Schriftzug „UNDIAGNOSED BIAS?!“ wird in dreidimensionalen Leuchtbuchstaben über Eck auf einer Wand im Foyer angebracht. Die Buchstaben sind einzeln ansteuer- und beleucht- sowie dimmbar und können ihre Farben wechseln. Die Arbeit besteht so einerseits aus einem (in einer Form von Atemrhythmus) pulsierendem Farb-, Licht- und Wortspiel, beschäftigt sich aber auch mit der Frage von Chancengleichheit bzw. Diskriminierung unterschiedlicher Gruppen im Feld der Medizin. Die räumliche Anordnung über Eck und die unterschiedliche Beleuchtung einzelner Buchstaben(gruppen) trägt dazu bei, einzelne Lesarten hervorzuheben und immer wieder den Fokus auf die Frage(n) zu verändern.

ohne Titel


Die Arbeit besteht aus lebensgroßen Abbildungen all jener Gegenstände, die auf ein 8×10“ Negativ passen und sich während des ersten Covid-19-Lockdowns in der Wohnung der Künstlerin befanden. Abgebildet sind sie mit der kameralosen Technik des Fotogramms, die auf direktem Kontakt und Durchleuchten basiert. Ähnlich wie beim Röntgenbild macht dieses Verfahren Informationen über das „Innere“ eines Gegenstandes sichtbar. Durch die Abbildung der über 400 Alltagsgegenstände entsteht ein indirektes Selbstporträt, das viel mehr über die Person verrät als ein bloßes Abbild ihres Körpers.