On Stones – Universitäts- und Landesbibliothek Tirol


"Wir treffen uns beim flachen Stein..."

„Stein kann auch als ‚verdichtete Information‘ gelesen werden, Millionen Jahre Erdgeschichte sind in ihm gespeichert. Er wird damit zur Metapher für die Bibliothek und ihre räumliche Konzentration von Büchern, welche ihrerseits als Speicher verdichteten Wissens betrachtet werden können.“, so Georgia Creimer. Tonnenschwere Findlingssteine stehen im Zentrum ihrer Gestaltung für die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Sie setzt je einen dieser großen Steine in die acht gläsernen Lichthöfe und strukturiert die Bodenfläche mit weißen Linien, die die Form des Gesteins aufnehmen. Die so kreierte „Landschaft“ auf dem Boden der Lichthöfe, die Positionierung der unterschiedlichen Steine und der korrespondierenden „Ringe“ auf dem Boden, soll vom Innenraum aus betrachtet die Konzentration der Lesenden unterstützen. Die Lichthöfe werden zu definierten Orten, zu räumlichen Identitäten innerhalb des Großraums der Bibliothek. „Man könnte, um sich zu verabreden, beispielsweise sagen: ‚…Wir treffen uns beim flachen Stein…'“, beschreibt die Künstlerin.

Zugleich soll das Projekt eine Verbindung schaffen zwischen dem unterirdischen Innenraum des Lesesaals und dem auch für PassantInnen sichtbaren öffentlichen Außenraum. Denn bereits auf Straßenniveau kündigt sich die Arbeit an: Textpassagen aus Christoph Ransmayrs Roman Der fliegende Berg sind in der Handschrift des Schriftstellers an den Glasbrüstungen zu erkennen und weisen auf die Nutzung des Gebäudes als Ort des Lesens hin. Blicken die PassantInnen von den Brüstungen in die Tiefe eines der Lichthöfe, so zentriert sich der Blick auf die markante grafische Gestaltung, deren Zentrum der Stein bildet. Befindet man sich dagegen in der Bibliothek, so nimmt man vor allem die gigantischen Steinobjekte wahr. Die unbearbeiteten Findlinge vermitteln den Bibliotheksbesucherinnen und Besuchern ein Gefühl der Ruhe und der Meditation.

„Nyema hatte in meinen Armen über Buchstaben, über die Schrift wie von einer Medizin gesprochen, einer Arznei gegen die Sterblichkeit, die zwar nicht heilen, aber doch lindern könnte.
Nach ihren Worten könne ein Mensch, der zu lesen und zu schreiben imstande sei, seine Zeit und seinen Ort verlassen wie eine Gottheit, wenn er Gedanken, Namen, jedes seiner Worte in Schrift verwandelte und ein Stück Holz, einen Stein oder Papier in der Gewissheit beschrieb, damit eine Botschaft zu hinterlassen, die lesbar blieb, wenn er selbst längst schon verschwunden oder gefangen war in einer anderen Gestalt des Lebens.
Sprach ein Mensch, fragte sie, durch die Schrift denn nicht über alle Abgründe, über die Jahrzehnte hinweg zu seinen Liebsten, als wäre er unter ihnen? Ein Vater sagte sie, könne sich so immer noch an seine Frau und an seinen Sohn wenden, selbst wenn sein Körper längst unter Steinen und Schnee begraben lag.
Die Kunst zu schreiben, die Kunst zu lesen, sagte Nyema, sei wohl das größte Geschenk, das Menschen einander bereiten könnten, weil nur diese Fähigkeit ihnen endlich erlaube, sich nicht bloß über Meere und Gipfel, sondern über die Zeit selbst zu erheben“

(Christoph Ransmayr „Der fliegende Berg“)